Mit der Gründung von Team75 wollten Fritz Schaffner und andere junge Füllinsdörfer die etablierten Parteien herausfordern. 50 Jahre später ist die Ortspartei noch immer ein zentraler Akteur in der Dorfpolitik und im Dorfleben.
Bill Gates gründet das Unternehmen Microsoft, das mit neuen Technologien den Alltag der Menschheit grundlegend verändern wird. In Paris wird die Europäische Weltraumorganisation ins Leben gerufen, die später auch den ersten und bis dato letzten Schweizer Astronauten ins Weltraum schickt. Das Jahr 1975 steht im Zeichen wichtiger Aufbrüche. Im selben Jahr geschieht auch im kleinen Füllinsdorf ein Ereignis, das die Zukunft des Dorfes prägen soll: Die Ortspartei Team75 wird gegründet.
Die Geschichte der Ortspartei beginnt mit einem Ausflug des Turnvereins Füllinsdorf am 8. September 1975. Auf der Zugfahrt ins Tessin diskutieren die Turnerinnen und Turner über die Dorfpolitik – und auch darüber, dass sich die Jungen darin untervertreten fühlen. Nach einer Wanderung beschliessen sie in Faido, eine eigene Ortspartei in Füllinsdorf zu gründen.
So beschreibt es Fritz Schaffner. Er war an jenem Tag dabei. Der heute 80-Jährige ist das einzige noch lebende Gründungsmitglied von Team75. Er erinnert sich an die Beweggründe der Initiatoren. «Im Gemeinderat sassen nur Sozialdemokraten und Freisinnige, die alle der älteren Generation angehörten», sagt er bei einem Gespräch in seiner Füllinsdorfer Wohnung. Um den Jungen eine Stimme zu geben und um der Monopolstellung der etablierten Parteien entgegenzuwirken – damals wurde mehrheitlich in stillen Wahlen entschieden –, hätten die jungen Turnerinnen und Turner in die Dorfpolitik einsteigen wollen.
«Feuerwehrpartei» im Aufschwung
Die anfängliche Euphorie verflog nicht. Nach dem Ausflug ins Tessin wurde die Gründungsversammlung einberufen, der Vorstand gewählt und Schaffner zum Präsidenten ernannt. Die neue Partei verabschiedete auch ihre Statuten. Gemäss Schaffner zählte die Partei zu Anfangszeiten etwa 50 junge Mitglieder, die mehrheitlich aus dem Turnverein und der Feuerwehr stammten. «Die anderen nannten uns Feuerwehrpartei», sagt Schaffner.
1976, also bereits ein Jahr nach der Gründung, nahm die Ortspartei an den Gemeindewahlen teil, konnte aber noch keinen Sitz im Gemeinderat erringen. 1983 gelang Schaffner als erstem Team75-Mitglied der Einzug in die Dorfexekutive – und blieb dort bis ins Jahr 2000. Später ergatterte man sich sogar einen zweiten Sitz im Gemeinderat. Ausserdem war das Team75 in dieser Zeit auch stets in verschiedensten Behörden und Kommissionen vertreten. «Wir wollten die Gemeindepolitik verändern. Das haben wir geschafft», sagt Schaffner.
Abseits der politischen Bühne engagierten sich Fritz Schaffner und seine Mitstreiter für ein lebendiges Dorfleben. «Wir haben viele Aktivitäten und Feste organisiert.» Eines der Highlights spielte sich aber ausserhalb von Füllinsdorf ab: die Teilnahme an der Unterhaltungssendung «Spiel ohne Grenzen» 1976 in Leeds, wo Füllinsdorf gegen andere Gemeinden aus Europa in sportlichen Geschicklichkeitsspielen antrat. Kapitän Schaffner schaffte es mit seinem Team auf den vierten Rang.
Politik als «wichtigste Nebensache der Welt»
Sprung in die Gegenwart. 50 Jahre nach ihrer Gründung prägt die Ortspartei noch immer Füllinsdorf und dessen Dorfpolitik. Jürg Schwob vertritt die das Team75 im Gemeinderat und ist dort Vizepräsident, über ein Dutzend andere Parteimitglieder wirken nach wie vor in diversen Behörden und Kommissionen mit. Das Team75 bleibt ein wichtiger Akteur in der politischen Dorflandschaft.
«Wir sind eine neutrale Partei», sagt Andrea Stohler. Sie ist langjähriges Mitglied und seit 2023 als Aktuarin im Vorstand. In anderen Worten: Ideologie und politische Positionen spielen bei der Ortspartei keine Rolle. Politik bezeichnet man als «die wichtigste Nebensache der Welt».
Viel wichtiger ist es der Partei gemäss Stohler, sich aktiv für Füllinsdorf zu engagieren, zum Beispiel mit geselligen Anlässen. Während vieler Jahre hat das Team75 im Herbst ein Mostifest auf dem Dorfplatz organisiert, ebenfalls stellte man Sommerfeste regelmässig auf die Beine.
Auch auf politischer Ebene liegt der Fokus auf dem Dorfleben. So setzt sich das Team75 seit 2004 für den Bau der Bürgergemeindehütte im Lochacker ein. Das Projekt, das den Füllinsdörferinnen und Füllinsdörfern als Festveranstaltungsort dienen soll, scheint sich nun endlich zu verwirklichen. Seit 2025 liegt das entsprechende Baugesuch vor, das vom Bürgerrat unterstützt wird. Auch beim Projekt «Zukunft Schönthal» ist die Ortspartei aktiv daran beteiligt, gemeinsam mit anderen Gemeinden die Weiterentwicklung des Siedlungsraums Schönthal mitzugestalten.
Existenz der Ortspartei war gefährdet
Das heutige Team75 folgt also der Vision seiner Gründungsmitglieder, sich für eine ausgewogene Politik einzusetzen und das Dorfleben zu beleben. Dennoch scheint der Elan der Ortspartei in den vergangenen Jahren etwas nachgelassen zu haben. Hatte man in den 2010er-Jahren drei Sitze im Gemeinderat, musste das Team75 bei den Gemeindewahlen im Jahr 2020 zwei davon kampflos abgeben, weil man in den eigenen Reihen keine Nachfolge finden konnte. 2023 traten drei Vorstandsmitglieder aus. Zwei davon konnten ersetzt werden, doch das Präsidium blieb vakant. Das Fortbestehen der Ortspartei stand infrage.
Stohler bestätigt den Elanschwund, der sich besonders infolge der Covid-Pandemie, als man keine Aktivitäten im Dorf mehr organisieren konnte, bemerkbar machte. Inzwischen hat sich die angespannte Lage aber wieder beruhigt. Das Präsidium ist zwar weiterhin unbesetzt, doch konnte der Vorstand um ein fünftes Mitglied erweitert werden.
Trotz Überalterung, die Stohler in der Ortspartei feststellt, habe man einige neue junge Mitglieder gewinnen können – insgesamt seien es heute deren 64. Und nun das Jubiläumsfest am Samstag, das erste Fest seit sechs Jahren. «Das soll uns wieder Aufschwung geben. Wir wollen zeigen, dass wir wieder hier sind», sagt Stohler.
In Füllinsdorf gibt es mittlerweile zwei Ortsparteien
In der Zwischenzeit ist in der Gemeinde eine neue Ortspartei entstanden. «Pro Füllinsdorf» ging aus dem Referendumskomitee zum Schulhausneubau hervor, das sich 2021 erfolgreich für eine Ablehnung des 21,5-Millionen-Franken-Kredits einsetzte. Trotz eines gescheiterten Grossangriffs bei den letzten Wahlen hat sich die neue Partei innert weniger Jahre in der Gemeindepolitik etabliert. Mitgründer Christoph Keigel, der bis 2021 im Vorstand der FDP Füllinsdorf war, ist seit letztem Sommer Gemeindepräsident.
Stellt Pro Füllinsdorf für das Team75 eine Konkurrenz dar? Nein, findet Stohler. Eine weitere Ortspartei befruchte die Gemeinde. Auch die Zusammenarbeit mit den Gemeinderäten Keigel und Schwob funktioniere gut. Allerdings versteht Stohler die Entstehungsweise der Partei nicht. «Es ist schon etwas fragwürdig, dass man eine neue Partei gründen muss, weil man mit einem Entscheid nicht einverstanden ist.»
Andere Ortsparteien in der Region
Neben dem Team75 und Pro Füllinsdorf sind auch in anderen Baselbieter Gemeinden Ortsparteien aktiv. Dazu gehören unter anderem die Stechpalme in Sissach (gegründet 1984) oder die Frischluft in Arlesheim (gegründet 1991). Im Vergleich zu den Ablegern der etablierten Parteien sind Ortsparteien in der Regel politisch neutral und legen einen besonderen Wert auf das Zusammenleben im Dorf.
Zurück zum Team75. Was hat die Ortspartei in den letzten 50 Jahren in Füllinsdorf bewegen können? «Wir haben politische Festungen aufgebrochen und frischen Wind in die Gemeindepolitik gebracht. Die politische Landschaft ist ausgewogener geworden», sagt Stohler. «Wir haben uns aber auch als unverzichtbaren Teil des gesellschaftlichen Lebens etabliert.»
Für Gründer Schaffner geht ein Kapitel zu Ende
Fritz Schaffner lebt seit einigen Jahren wieder in Füllinsdorf. Bis 2022 war er noch im Team75 aktiv. Wegen gesundheitlicher Probleme musste er sich aber zurückziehen. Ganz loslassen von seinem Einsatz für Füllinsdorf kann er dennoch nicht. So beteiligt er sich weiterhin als Vermittler des SOS-Fahrdiensts für Behinderte und Betagte.

Für sein Engagement wurde Schaffner an der diesjährigen Generalversammlung der Ortspartei zum Ehrenmitglied ernannt. Beim Jubiläumsfest will ihn der Vorstand zudem speziell ehren. «Fritz Schaffner ist für Füllinsdorf eine wichtige Person. Er hat das Dorf mit seiner Philosophie über die Parteipolitik hinaus weiterentwickelt und konnte viel bewegen», sagt Stohler. «Dafür wollen wir ihm danken.»
Wie bewertet Schaffner sein Engagement? Er bleibt bodenständig. «Ich war nie stolz, ich habe immer für die Sache gearbeitet», sagt er. Dem Journalisten übergibt Schaffner in seiner Wohnung ein Dossier mit den letzten Dokumenten zur Ortspartei, die er noch besitzt. Zurückhaben will er es nicht. «Mit dem Jubiläum ist für mich das Kapitel Team75 abgeschlossen». Nun ist die nächste Generation an der Reihe.
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