Nicolas Herter steht in der dritthöchsten Schweizer Fussballliga unter Vertrag. Von einem Leben als Profifussballer ist er weit entfernt. Seinen Traum, es bis an die Spitze zu schaffen, hat er aber noch nicht aufgegeben.
Die Prüfungen an der Universität sind geschrieben, doch an Urlaub ist nicht zu denken. Nicolas Herter befindet sich mitten in der Regeneration. Er hat Knieprobleme, die zwei Jahre nach der Operation wieder aufgetaucht sind. Jetzt will er sich zurückkämpfen.
Herter, der auf semiprofessionellem Niveau Fussball spielt und nebenbei an der Universität Zürich Politikwissenschaft studiert, hadert seit mehreren Jahren mit Verletzungen: muskuläre Probleme, Schambeinentzündungen, Knorpelschäden. «Es ist gut möglich, dass die Doppelbelastung von Studium und Fussball ein Grund für die Verletzungen ist», sagt Herter. Ihm bleibe wenig Zeit, sich nach Trainings und Spielen richtig zu erholen.
Trotz dieser Rückschläge findet Herter immer wieder die Motivation, sich aufzurappeln. Woher, erfahren Sie im Video.
Die Fussballkarriere von Nicolas Herter beginnt beim FC Neumünster. Mit vier Jahren schnürt er zum ersten Mal die Fussballschuhe und misst sich mit zwei Jahre älteren Mitspielern. Ehrgeizig ist er schon damals.
Zehn Jahre später führt Herter seine Mannschaft zum ersten Mal in der Geschichte des Zürcher Quartiervereins in den Cupfinal der D-Junioren. Im Endspiel wartet der übermächtige Grasshopper Club Zürich. Neumünster ist chancenlos, doch aus der Verlierermannschaft sticht ein wirbliger Blondschopf heraus, der bei der 1:6-Niederlage den Ehrentreffer erzielt. Die Scouts, die GC zum Spiel geschickt hat, sind begeistert. Sie laden Herter in ein Probetraining ein. Einige Wochen später läuft er im GC-Trikot auf.
Herter gelingt der Durchbruch nicht
Es klingt wie der Beginn eines Fussballmärchens: die Geschichte eines ballverliebten Jungen, dessen Talent entdeckt wird und der es dann bis ganz nach oben schafft. So kommt es nicht.
Sein Weg scheint zunächst in diese Richtung zu gehen. Bei GC durchläuft er alle Juniorenmannschaften bis zur U21. Gleichzeitig wird Herter für die Schweizer Nationalmannschaft aufgeboten, absolviert 22 Spiele für verschiedene U-Mannschaften, zuletzt für die U20, wo er auch die Captainbinde trägt.
Der Durchbruch gelingt ihm aber nicht. Er verlässt GC, spielt danach für Winterthur, Wil und Rapperswil-Jona. Vor einigen Wochen unterschreibt der heute 25-jährige Herter einen Vertrag beim FC Baden. Dort wird er wie in den vergangenen Jahren in der Promotion League, der dritthöchsten Liga der Schweiz, zum Einsatz kommen.
Wer mehr über Herters Karriere erfahren möchte, kann in der Timeline stöbern.
Er steht sechs Mal pro Woche auf dem Fussballplatz
Die Promotion League ist zwischen Amateur- und Profifussball angesiedelt. Vom Aufwand her entspricht sie weitgehend der Super League, der höchsten Spielklasse im Schweizer Fussball. «Super-League-Spieler haben etwas mehr Verpflichtungen wie Sponsorenanlässe, aber grundsätzlich ist der Aufwand sehr vergleichbar», erklärt Herter. Wie die Spitzenvereine trainiert er sechs Mal pro Woche. Hinzu kommen die Spiele am Wochenende. In einer Saison spielen die Mannschaften der Promotion League 34 Mal, in der Super League sind es nur vier Spiele mehr.
Herter muss auf vieles verzichten. «Ich will im Fussball Vollgas geben, aber dann noch genügend Zeit für die Regeneration zu finden, für die Uni, für mein soziales Leben – das ist eine grosse Herausforderung», sagt Herter. Auch Ferien kann er kaum machen, weil sich Fussball- und Semesterferien nur selten überschneiden.
1’500 Franken Lohn pro Monat
Viel Aufwand, dafür wenig Ertrag. So empfindet Herter das Leben als Fussballer in der Promotion League. «Man spielt auf kleineren Plätzen, vor wenigen Zuschauern. Man hat überhaupt keine mediale Aufmerksamkeit», so Herter.
Der grösste Unterschied zur Super League ist laut Herter aber der Lohn. «Fussballer, die in der Super League spielen, leben sehr gut. Ich nicht.» Tatsächlich: In der höchsten Liga verdienen die Profis im Schnitt knapp 14’000 Franken pro Monat, wie eine Recherche des Blick aus dem Jahr 2020 zeigt. Genaue Daten gibt es nicht, weil die Vereine die Lohnverträge nicht offenlegen müssen.
In der Promotion League ist das Einkommen deutlich tiefer. Laut Herter liegt es zwischen 200 und 3’000 Franken pro Monat. Er selbst habe in den letzten Jahren immer um die 1’500 Franken verdient. Als er noch beim FC Wil in der Challenge League – der zweithöchsten Liga – spielte, waren es sogar nur 500 Franken. Mit diesem Gehalt alleine käme er nicht über die Runden. «Ich habe das Privileg, dass mich meine Eltern noch finanziell unterstützen. Das ist nicht viel, aber zusammen mit meinem eigenen Lohn komme ich einigermassen durch den Monat», erklärt Herter.
«Das ist überhaupt nicht selbstverständlich»
Herter lebt bescheiden. Er wohnt mit seinem Mitbewohner in einer Dreizimmerwohnung am Stadtrand von Zürich. Er fährt keinen Sportwagen, trägt keine Luxusuhren. Es ist nicht das Leben eines Profifussballers, von dem jeder fussballbegeisterte Junge träumt. Das sieht auch er so. «Natürlich habe ich mir das anders vorgestellt. Ich habe gehofft und auch darauf hingearbeitet, als Profifussballer leben zu können.»
Dennoch ist Herter guter Dinge. Er ist dankbar, dass er den Sport ausüben kann, den er so liebt. Dabei auch noch etwas Geld zu verdienen, sei ein Privileg. In vielen Sportarten, wie Schwimmen, Rudern oder auch Frauenfussball, verdiene man selbst auf höchsten Niveau wenig bis gar nichts. «Ich bin immer noch in einer guten Position, in der ich mir leisten kann, meinen Sport neben dem Studium weiter zu betreiben. Das ist überhaupt nicht selbstverständlich», sagt Herter.
Schliesslich war seine Karriere nicht nur von Verletzungen und Rückschlägen geprägt. Auch schöne Momente durfte er erleben. Er erinnert sich zum Beispiel an seine Zeit in der Schweizer Nationalmannschaft. Von der U15 bis zur U20 hat er in allen Teams gespielt. «Die Schweiz zu vertreten, auch wenn nur als Junior, und der Stolz zu wissen, dass ich zu den besten Spielern meines Jahrgangs gehöre – das war ein unglaubliches Gefühl und ist immer noch ein grosser Erfolg.»

Plan B vorbereiten
Herter wusste früh, dass er einen Plan B brauchte. «Ich habe nie nur auf die Karte Fussball gesetzt, weil ich wusste, wie schwierig der Weg ist.» Nach der Matura studiert er heute Politikwissenschaft und Volkswirtschaft. In dieser Hinsicht sieht er sich gegenüber den Profifussballern sogar im Vorteil. «Als Spieler in der Super League hast du in der Regel nicht ausgesorgt. Für viele Spieler ist es unglaublich schwierig, nach der Karriere den Einstieg ins Berufsleben zu finden. Ich hingegen bin gezwungen, mir neben dem Fussball etwas aufzubauen, weil ich alleine davon nicht leben kann. Das ist auf lange Sicht unglaublich wertvoll.»
Wie er sich nach dem Studium beruflich orientierten wird, ist noch offen. Klar ist jedenfalls: Den Traum vom Profifussball hat er noch nicht aufgegeben. «Ich bin jetzt 25 Jahre alt und ich weiss, dass der Sprung in die grossen Ligen nicht sehr realistisch ist. Aber ich bin nahe dran an den Profiligen, ich bin immer noch sehr ambitioniert und wenn sich die Gelegenheit ergibt, bin ich sofort wieder bereit, für den Fussball alles andere in den Hintergrund zu stellen.»
Teile diesen Beitrag: