«Das ist das Geheimrezept der Elektromobilität»: Gofast dehnt sich von Schlieren in die ganze Schweiz aus

Domenic Lanz ist Geschäftsführer der Firma Gofast, die in der ganzen Schweiz E-Ladestationen baut und betreibt. Bild: Alex Spichale

Das Unternehmen Gofast baut und betreibt Schnellladestationen für Elektroautos. Es ist schweizweit aktiv und hat seinen Sitz in Schlieren. CEO Domenic Lanz spricht über die steigenden Strompreise, Konkurrent Tesla und wie es um die Branche im Limmattal steht.


«Tüpflischisser», «Verkuppler», «Zahlen-Nerd»: Mit Stellenbezeichnungen wie diesen versucht die Firma Gofast auf scherzhafte Art und Weise neue Bewerbungen anzulocken. Acht Stellen sind aktuell auf der Website ausgeschrieben. Das Unternehmen, das in der ganzen Schweiz Schnellladestationen für Elektroautos baut und betreibt, will weiter wachsen. Im Schlieremer Start-up-Space, wo Gofast zu Hause ist, erklärt Geschäftsführer Domenic Lanz die Zukunftspläne seiner Firma.

Sie haben früher in einer Bank gearbeitet. Wie kam es dazu, dass Sie ein Unternehmen führen, das die Elektromobilität in der Schweiz vorantreiben möchte?

Das ist die Gretchenfrage. Vor knapp zehn Jahren habe ich mir überlegt, ob ich die nächsten 40 Jahre bei der UBS arbeiten möchte – und entschied mich dagegen. Das war in der Phase, als es die ersten Tesla-Autos in der Schweiz gab. Gleichzeitig begann ich mich für das Schnellladen zu interessieren. Per Zufall wurde dann 2016 auch noch die Firma Gofast gegründet, und ich kam mit den Gründern ins Gespräch.

Was hat Gofast in den letzten acht Jahren erreicht?

Wir sind zum führenden Schnelllade-Anbieter in der Schweiz geworden. Das ist ein Erfolg, auf den wir stolz sind. Es ist aber auch wichtig, zu verstehen, dass wir uns in einem jungen und dynamischen Markt befinden. Wir können uns nicht einfach ausruhen. Zudem ist Gofast ein langfristiges Infrastrukturprojekt. Wir befinden uns immer noch in jener Phase, in der wir viel investieren und keine schwarzen Zahlen schreiben. Von einem wirtschaftlichen Erfolg können wir noch nicht sprechen.

Unterschied zwischen Normal- und Schnellladen

In der Schweiz können Elektroautos zu Hause per Wallbox (AC-Ladestation) geladen werden. Die Ladeleistung beträgt um die 20 Kilowatt. Beim Schnellladen (DC-Ladestation) ist die Leistung um ein Vielfaches höher, Gofast bietet inzwischen bis zu 400 Kilowatt an. Aufgrund der hohen Leistung lädt das Auto schneller als beim Normalladen, dafür ist es teurer. Die durchschnittliche Schnellladezeit beträgt eine halbe Stunde, hängt aber von diversen Faktoren ab, insbesondere vom Akku des Fahrzeuges und der Aussentemperatur.

Erhalten Sie staatliche Fördermittel?

In der Schweiz gibt es eigentlich keine finanzielle Förderung der Elektromobilität. Hie und da stellen Gemeinden oder Kantone kleinere Beiträge in Aussicht. Vergleicht man das aber mit Europa, wo Milliarden von öffentlichen Geldern für die Ladeinfrastruktur zur Verfügung gestellt werden, gibt es nichts.

Die Firma Energie 360°, die sich an Gofast beteiligt, gehört fast ausschliesslich der Stadt Zürich. Ist das nicht etwas widersprüchlich?

Eine Subvention für einen Bau und eine Firmenbeteiligung sind aus meiner Sicht zwei Paar Schuhe. Zur Investitionsstrategie von Energie 360° können wir uns nicht äussern.

Hinkt die Schweiz in Sachen finanzielle Förderung hinterher?

Ja, aber die Schweiz hat auch ohne diese eine gute Infrastruktur für Elektromobilität. Betrachtet man die Anzahl Schnellladestationen pro Einwohner oder pro Elektroauto, liegt die Schweiz in den Top 5 Europas. Es scheint also zu funktionieren, ohne dass der Staat Millionen von Franken investiert, zumindest im Schnellladebereich. Bei der privaten Infrastruktur, zum Beispiel in Ein- und Mehrfamilienhäusern, scheint es weniger gut zu funktionieren.

Inwiefern?

Wer ist schon bereit, auf eigene Kosten eine Wallbox in der Garage zu installieren? Dann gibt es rechtliche Einschränkungen. Die Schweiz ist ein Mieterland, doch die Mieter können ohne Zustimmung der Verwaltung keine Ladestationen installieren. In Deutschland gibt es das «Recht auf Laden», das Mieterinnen und Mieter erlaubt, eine Ladestation zu installieren. In der Schweiz war das im Nationalrat ein Thema, eine ähnliche Motion wurde aber vom Bundesrat abgelehnt.

Zur Person
Bild: Alex Spichale

Domenic Lanz ist seit 2017 Geschäftsführer von Gofast. Die Firma mit Sitz in Schlieren bietet schweizweit Schnellladestationen für Elektroautos an. Bis 2015 arbeitete Lanz als Projektmanager für die UBS.

In einem Interview mit der «Handelszeitung» haben Sie 2022 gesagt: «Ich bin überzeugt, dass die Krise in der Ukraine die Elektrifizierung der Mobilität weiter beschleunigt.» Können Sie das ausführen?

Öl und Erdgas stammen meist aus politisch heiklen Ländern wie Saudi-Arabien oder eben Russland. Beim Strom hat man mehr Möglichkeiten. Man kann diesen in der Schweiz herstellen oder aus Europa importieren. Ein grosser Vorteil der Elektromobilität ist also, dass dadurch die Abhängigkeit von Öl und Erdgas abnimmt. Diese Unabhängigkeit wurde mit dem Ukraine-Krieg ein Thema.

Hat sich Ihre Prognose bestätigt?

Dass das beim Durchschnittsbürger angekommen ist, bezweifle ich. Ich glaube nicht, dass Menschen Elektroautos kaufen, um energiepolitisch unabhängiger zu sein. Nachhaltigkeit ist da wohl wichtiger. Der Preis ist natürlich auch immer ein Faktor, und das Elektroauto ist aktuell teurer als ein Diesel-Fahrzeug, zumindest im Anschaffungspreis. Ich stehe weiterhin hinter meiner Aussage, weil ich die Idee der Energiepolitik relevant finde, würde das heute aber vielleicht etwas differenzierter beschreiben. Der Ukraine-Krieg hat auch Herausforderungen für die Elektromobilität gebracht.

Zum Beispiel?

Wenn der Bund von Strommangellage spricht und darüber diskutiert, ob man mit dem Benzinauto noch fahren darf, aber mit dem Elektroauto nicht mehr, um Strom zu sparen, dann sind das für potenzielle Kunden schon verunsichernde Signale.

Die Firma Gofast baut und betreibt in der ganzen Schweiz E-Ladestationen. Bild: Alex Spichale

Und die Strompreise sind gestiegen. Vor dem Ukraine-Krieg zahlte man bei Ihnen zwischen 40 und 50 Rappen pro Kilowattstunde. Jetzt sind es um die 60.

Ja, der Strom ist in den letzten zwei Jahren teurer geworden. Wir merken, dass nicht nur die Anschlüsse ans Netz und die Schnellladestationen teuer sind, sondern auch die Leistungspreise. Beim Schnellladen ist die Leistung mit bis zu 400 Kilowatt sehr hoch – das kostet. Trotzdem gehe ich davon aus, dass die Preise wieder sinken und sich langfristig im Bereich von 50 Rappen pro Kilowattstunde einpendeln werden.

Weshalb?

In der Elektromobilität ist der Wettbewerb noch nicht so ausgeprägt und die Kundschaft noch nicht so preissensitiv. Es geht eher darum, ob die Ladestationen gut funktionieren und gut gelegen sind. In Zukunft wird es aber, wie bei den Tankstellen, einen Markt geben, der faire Preise sicherstellt.

Woher bezieht Gofast den Strom?

Wir beziehen ausschliesslich Ökostrom aus der Schweiz. In der Vergangenheit haben wir viel von lokalen Elektrizitätswerken bezogen. Jetzt haben wir aber langsam damit angefangen, auch Strom auf dem Markt zu beschaffen, um dort etwas einsparen zu können.

Gofast möchte ein nationales Netz von Schnellladestationen für Elektroautos aufbauen. Wer ist dabei Ihre grösste Konkurrenz?

Wir haben mehrere Konkurrenten, zum Beispiel Tesla, Fastned oder Ionity. Es gibt drei Zahlen, mit denen man Vergleiche ziehen kann. Die Anzahl Standorte zeigt auf, wie dicht das Netz ist. Da haben wir mit 90 Standorten die meisten, und ein relativ grosses Wachstum in den nächsten Jahren. Dann kann man die Anzahl Ladeplätze nehmen. Mit 200 Ladestationen – das macht 400 Ladeplätze – haben wir etwa gleich viele wie Tesla. Und schliesslich die Frage: Wie viel Energie wird verkauft? Tesla ist hier die Nummer 1, deren Standorte sind stärker ausgelastet.

Schweizweit hat Gofast 200 Ladestationen. Weil jede Station zwei Autos gleichzeitig versorgen kann, macht das insgesamt 400 Ladeplätze. Bild: Alex Spichale

Weshalb sind Tesla-Standorte stärker frequentiert?

Die Firma Tesla hat den grossen Vorteil, dass sie sehr gut in ihren eigenen Autos integriert ist. In ihren Navigationssystemen zum Beispiel sind Tesla-Standorte viel prominenter als unsere. Weil Tesla der führende Elektroautohersteller ist, hat er den besten Zugang zur grössten Autoflotte und kann diese auch entsprechend abholen und lenken.

Wieso sollte man das Elektroauto trotzdem bei Ihnen laden?

Ich glaube, was wir besser als unsere Konkurrenz machen, ist der Fokus auf das Schnellladen. Wir sehen, dass sich die anderen ein bisschen verzetteln, indem sie unterschiedliche Dinge anbieten. Wir haben schon früh Qualität als wichtig erachtet und entsprechend in verlässliche Ladestationen investiert. Dazu kommt der Service: Wir haben mehrere Servicetechniker, welche die ganze Zeit unterwegs sind und sich um die Ladestationen kümmern. Und letztlich haben wir gut gelegene Standorte.

Sie haben die wachsende Anzahl Standorte erwähnt. Wie fortgeschritten ist die Planung?

Wir haben für 20 Rastplätze Konzessionen vom Bundesamt für Strassen (Astra) erhalten. Davon haben wir erst sechs Standorte gebaut. Dann pflegen wir eine nationale Zusammenarbeit mit McDonald’s und seit kurzem mit Aldi. Besonders mit Letzterem sind Dutzende von Projekten in fortgeschrittener Planung. Über die nächsten zwei bis drei Jahre werden wir landesweit mindestens 200 zusätzliche Standorte bauen.

Sind auch Standorte im Ausland geplant? In Liechtenstein hat es bereits Gofast-Ladestationen …

In Liechtenstein haben wir einen Standort, aber wir zählen den noch zur Schweiz, weil das eine Zusammenarbeit mit McDonald’s Schweiz ist. Wir haben uns immer wieder Überlegungen gemacht, ins Ausland zu gehen, wollen uns aber auch nicht europaweit verzetteln. Darum gibt es aktuell keine Auslandspläne.

«Über die nächsten zwei bis drei Jahre werden wir landesweit mindestens 200 zusätzliche Standorte bauen», sagt CEO Domenic Lanz. Bild: Alex Spichale

Wie sieht ein idealer Standort aus?

Mehrere Faktoren spielen eine Rolle, zum Beispiel die Verkehrslage und das Platzangebot. Am wichtigsten ist aber die sogenannte «Ladeweile»: Was mache ich in der Zeit, während mein Auto lädt? Wir haben das Gefühl, dass Elektromobilität dann attraktiv ist, wenn das Laden parallel zu anderen Aktivitäten geschieht. Darum sind McDonald’s und Aldi spannende Partner. Die Leute können während des Ladens einkaufen gehen, Kaffee trinken oder einen Burger essen. Wir versuchen also, das Laden in das Leben der Leute zu integrieren. Das ist das Geheimrezept der Elektromobilität.

Erfüllt die Gofast-Station in Dietikon Silbern diese Voraussetzungen?

Die Lage des Standorts ist grundsätzlich gut, weil er in der Nähe der A1 und damit einer hochfrequentierten Strasse liegt. Aber es gibt dort auch mehrere Herausforderungen. Es ist sehr eng auf dem Parkplatz und die Beschäftigungsmöglichkeiten während der Ladezeit sind begrenzt. Zudem haben wir Konkurrenz: Nicht weit entfernt hat es den grössten Tesla-Supercharger der Schweiz. Und mit der Gofast-Station an der Raststätte Würenlos haben wir uns selber Konkurrenz gemacht.

Bleiben wir im Limmattal. Sie haben Ihren Sitz seit 2021 in Schlieren. Weshalb sind Sie hierhin gezogen?

Früher konnten wir die Büros von Energie 360° in Altstetten nutzen. Unser Unternehmen ist dann gewachsen, und wir haben nach einer Alternative gesucht, idealerweise in derselben Gegend. In dieser Zeit ist auch der Start-up-Space in Schlieren aufgegangen, und wir konnten als einer der ersten Mieter einziehen.

Der Start-up-Space in Schlieren befindet sich gleich neben dem Bahnhof. Hier hat die Firma Gofast ihren Sitz. Bild: Alex Spichale

Wie steht es um die Elektromobilität im Limmattal? Spüren Sie ein Interesse in der Politik?

Eher weniger. Wir würden hier natürlich gerne einen kleinen Hub aufbauen und auf öffentlichem Boden Ladestationen bauen. Wir haben mit Schlieren und anderen Gemeinden in der Umgebung gesprochen, bis jetzt aber erfolglos.

David Baumann ist CFO von Gofast und sitzt gleichzeitig im Schlieremer Parlament. Hat er Ihre Anliegen im Gemeinderat angesprochen?

Der Mehrheit der Parlamentarier und des Stadtrats ist bekannt, dass David Baumann bei Gofast in Schlieren tätig ist. Durch Diskussionen und Gespräche wissen sie auch, dass er sich für die Elektromobilität engagiert. Wir versuchen aber, Politik und Wirtschaft bewusst zu trennen.

Sind zusätzliche Ladestationen im Limmattal geplant?

In Dietikon ist mit der Aldi-Filiale beim Reppischhof ein Projekt geplant. Einen oder zwei zusätzliche Standorte sehe ich schon noch. Besonders Schlieren würde sich dazu eignen, auch wegen der Nähe zur Stadt. Aber bislang haben wir die Möglichkeiten nicht gefunden.

Zum Schluss die Gewissensfrage: Fahren Sie selber auch ein Elektroauto?

Ja. Im ersten Jahr bei Gofast war ich noch mit meinem privaten Diesel-Fahrzeug unterwegs. Da musste ich mir Kommentare anhören wie: «Was willst du mit mir über Elektromobilität sprechen und kommst mit diesem Diesel-BMW?» Dann bin ich umgestiegen. Heute würde ich nicht mehr zurückwechseln.


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