Die Überschwemmungen in Nepal haben auch Jeanine Eberles Schule getroffen. Die Urdorferin spricht über deren Schliessung, die Schäden und wie das nepalesische Volk mit Katastrophen umgeht.
Ein Jahr nach dem schweren Erdbeben ist Nepal von der nächsten Naturkatastrophe erschüttert worden. Ende September ist es im Himalaja-Staat zu heftigen Überschwemmungen und Erdrutschen gekommen. Dabei sind über 200 Menschen gestorben.
Mittendrin war – wie auch damals während des Erdbebens – die Urdorferin Jeanine Eberle. Sie ist Ende 2020 nach Nepal ausgewandert und hat dort mit ihrem Ehemann eine Schule und ein Kinderheim für sozial benachteiligte Kinder gegründet. Vor fünf Monaten kam ihre Tochter Anora zur Welt.
Zur Person

Jeanine Eberle ist in Urdorf aufgewachsen. Ende 2020 ist sie nach Nepal ausgewandert. Dort hat sie gemeinsam mit ihrem nepalesischen Ehemann Amit Bidhyarthi, den sie in Finnland kennengelernt hat, die Schule Junkiri Planet und das dazugehörige Kinderheim Sano Prakash Home eröffnet. Eberle ist zudem Gründerin der Hilfsorganisation Sano Prakash. Für ihr Engagement wurde Eberle 2022 zur Limmattalerin des Jahres gewählt.
«Uns geht es gut, glücklicherweise», sagt Eberle auf telefonische Anfrage. Im Vergleich zur Region rund um die nepalesische Hauptstadt Kathmandu, die am meisten Todesopfer verzeichnete, war Eberles Wohnort Tilottama weniger stark betroffen. «Es ist in der Umgebung zum Glück niemand gestorben», so die 30-jährige Limmattalerin.
Dennoch hat das Unwetter auch in Tilottama die Infrastruktur beschädigt. Die intensiven Regenfälle hatten Erdrutsche ausgelöst, die gemäss Eberle besonders auf den Strassen Schäden hinterliessen. Dadurch seien die Fernverbindungen unterbrochen worden.
Die Regenfälle, die vom 27. September bis zum 1. Oktober dauerten, haben zudem zu Überschwemmungen geführt. Davon betroffen war auch Eberles Vorschule in der Stadt Manigram, 15 Autominuten von Tilottama entfernt. «Alles wurde überschwemmt und überflutet», so Eberle. Die Klassenzimmer, die Küche, der Pausenplatz – das ganze Areal lag unter Wasser. «Das Wasser ist von einer Seite gekommen und dann wie ein Fluss durch alle Räume durchgegangen», erklärt Eberle.
Abgesehen von den Möbeln und Unterrichtsmaterialien, die durchnässt wurden und teilweise unbrauchbar sind, sei es besonders der emotionale Aspekt, der schmerzt. «In den Klassenzimmern hingen Zeichnungen, Bastelarbeiten und Malereien, zu welchen die Kinder eine emotionale Bindung hatten», sagt Eberle. Und führt aus: «Hinter der Schule steckt viel Liebe, Aufwand und Arbeit. Die Kinder haben die Zimmer selber gestaltet.» Nun hat die Wassermenge alles mitgeschwemmt «Ich war schon recht schockiert», sagt Eberle.
Am stärksten getroffen habe es eine Wohnung, die sich im hinteren Teil der Schule befindet. «Die Möbel, Betten und Kleider wurden komplett durchgeweicht. Sie sind unbrauchbar», erzählt Eberle. Das dort lebende Ehepaar, die Köchin und der Hausabwart der Schule, mussten vorübergehend bei Verwandten unterkommen.
Schule musste schliessen
Erst als die Regenfälle einige Tage später aufhörten, konnten Eberle und ihr Team mit den Aufräumarbeiten beginnen. Sie haben das Wasser aus den Räumen geschürgt und versucht, zu retten, was möglich ist. Die Bilanz: «Das ganze Mobiliar der Wohnung muss ersetzt werden», so Eberle. Für die Klassenzimmer müsse man neue Teppiche, Sofas und Regale anschaffen. Zudem brauche es auch neues Unterrichtsmaterial wie Bücher oder Spielsachen. «Um den Zustand der Wände und Böden zu inspizieren, müssen wir noch einige Tage abwarten», erklärt Eberle. Die Schule blieb einige Tage lang geschlossen, konnte aber am vergangenen Freitag wieder öffnen.
Eberle plant nun, die 40 Zentimeter hohe Mauer, welche die Schule umkreist, weiter aufzuziehen. Dadurch soll die Schule bei zukünftigen Überschwemmungen besser geschützt werden. «Dieses Mal war sie nicht hoch genug», so Eberle.
Die Vorschule in Manigram wurde erst letztes Jahr als zweiter Standort von Eberles Schule Junkiri Planet eröffnet. Unterrichtet werden dort 79 Kinder von der Spielgruppe bis zum 2. Kindergarten. Das Hauptgebäude, in dem sich die Primarschule und das Kinderheim mit weiteren über 150 Kindern befinden und in dem auch Eberle wohnt, liegt in Tilottama. Abgesehen von starken Regenfällen und einem überschwemmten Sandkasten sei es gemäss Eberle aber weitgehend verschont geblieben.
Katastrophe kam überraschend
Während der Monsunzeit in Nepal, die gewöhnlich von Juni bis August dauert, sind starke Regenfälle die Norm – sie richten oft grosse Schäden an. Als es in der Nacht vom 27. auf den 28. September, also ausserhalb der Monsunzeit, zu strömen begann, war Eberle überrascht. «Es kann zwar immer noch zu Regenfällen im September kommen, doch dass es so stark regnet, ist eher untypisch», so die Urdorferin.
Die Menschen in Nepal sind gemäss Eberle schockiert, niemand habe damit gerechnet. Aber sie seien es sich auch gewohnt. «Solche Sachen passieren in diesem Land immer wieder. Die Menschen kehren recht schnell zurück in den Alltag.»
Für die Kinder von Eberles Vorschule sei es dennoch schwierig gewesen. Sie erhalten in der Schule warme Mahlzeiten und zu Hause teilweise nicht. Einige von ihnen mussten also mehrere Tage lang darauf verzichten, weil die Schule geschlossen war. Zudem startete kurz nach der Katastrophe das grösste Hindu-Festival in Nepal, Dashain. Es sei das Lieblingsfest von vielen Kindern, und die Stimmung davor ist normalerweise riesig. «Das ist schade, dass das in dieser Vorfreude passieren musste», so Eberle.
Als sie wieder zurück durften, war die Freude bei den Kindern dafür umso grösser. «Die positive Stimmung hat klar überwogen», sagt Eberle.
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