Von «The Voice Kids» zum eigenen Sound: Anand Bansal produziert nun selber Musik

Der Erfolg bei «The Voice Kids» hat Anand Bansal in seinem Bestreben, ein bekannter Sänger zu werden, weiter angefeuert. Bild: Severin Bigler

Der Unterengstringer Anand Bansal schaffte es bis ins Finale der deutschen Casting-Show. Während er im Fernsehen mit Covers begeisterte, nimmt er nun seine eigenen Songs auf – und träumt vom grossen Erfolg als Solokünstler.


In einem kleinen Raum in Weiningen bebt es. Begleitet von Gitarren- und Bassmelodien dröhnen die Trommelgeräusche des Schlagzeugs in den Ohren. Ohne Hörschutz ist die Lautstärke kaum auszuhalten. Ein junger Mann schnipst gelassen mit seinen Händen im Rhythmus von Pink Floyds «Another Brick in the Wall» mit und wartet auf seinen Einsatz.

Von aussen hört man nichts. Kein Wunder: Geprobt wird in einem Bunker. Zudem hängen an der Decke Schaumstoffplatten, die zur Schalldämmung beitragen.

Hinter dieser Bunkertüre findet die Probe der Band Litu statt. Bild: Robin Walz

Im Bunker, der sich bei der Oberstufenschule Weiningen befindet, trifft sich die Band Litu einmal wöchentlich zur Probe. Litu steht für «Lumia in the underground», auf Deutsch: «Licht im Untergrund». Passender zur gegenwärtigen Situation könnte der Bandname nicht sein. Mit ihrer lebendigen Musik bringt die Band etwas Heiterkeit und Leben in diesen dunklen, stickigen und nach Staub riechenden Raum.

Die 2023 gegründete und mittlerweile sechsköpfige Band erhielt vor einigen Monaten mit Anand Bansal prominenten Zuwachs. Der 15-jährige Unterengstringer schaffte es im vergangenen Jahr bis ins Finale der deutschen Casting-Show «The Voice Kids» und wurde so zu einem lokalen Musikstar.

Anand Bansal (blaues Cap) ist mit 15 Jahren das jüngste Bandmitglied von Litu. Hier im Bild, aufgenommen im Bunker, die anderen Mitglieder (v.l.): Luca De Giorgi, Ray Hubler (Schlagzeug), Eliana Birchler, Sarp Darici und Sophia Calia. Bild: Robin Walz

«We don’t need no education. We don’t need no thought control.» Anands Einsatz hat begonnen. Der Liedtext passt zu seinem authentischen Outfit: Er trägt lose Jeans, einen Hoodie und ein nach hinten gerichtetes Cap. Seine Ohren und die meisten seiner Finger sind mit Ringen geschmückt. Anand strahlt mit seinem Style eine Lockerheit aus. Nervös wegen des Journalisten ist er nicht. Das überrascht nicht, ist er doch schon mehrere Male vor Hunderten Zuschauern und laufenden Kameras aufgetreten.

Immer wieder blickt er zum Journalisten hinüber, scheint bei ihm eine positive Bestätigung zur eigenen Performance zu suchen. Er will sich natürlich von seiner besten Seite zeigen. Sein Auftritt ist dennoch wahrhaftig, wirkt nicht gestellt. Mit der linken Hand hält er das Mikrofon, die rechte Hand benutzt er, um zwischen den Gesangseinsätzen Schlagzeug und Gitarre zu imitieren oder die Melodie mitzuschnipsen. Wenn er performt, ist er voll in seinem Element.

Band will eigene Songs aufnehmen

«Ich will Sarps Song hören», sagt Anand in der Pause. Die letzte Bandprobe, bei welcher der E-Gitarrist seinen selbst geschriebenen Song präsentierte, verpasste Anand. Die Band hat sich lange nur mit Covers beschäftigt, will jetzt aber auch ihre eigenen Songs produzieren und eine Demo zusammenstellen, wie Schlagzeuger Ray erklärt. Zu diesem Zweck sollen die Mitglieder ihre eigenen Lieder schreiben – und diese dann gemeinsam proben und verbessern.

«Anand, wie viele Songs bringst du mit?», fragt Ray. «Für die Band? Ich würde erst mal Sarps Song nehmen», antwortet Anand. Er weicht der Frage aus. Anand ist aktuell damit beschäftigt, seine eigenen Songs zu produzieren. Er strebt langfristig eine Karriere als Solokünstler an – gerät die Band deshalb in den Hintergrund?

Sein Idol ist Tyler, the Creator

Szenenwechsel: In seinem Zimmer nimmt der 15-jährige Unterengstringer seine eigene Musik auf. Obwohl er es einige Minuten zuvor aufgeräumt hat, wird das Zimmer seinem Namen «Chaos-Platz» – das steht auf dem blauen Schild, das an der Türe hängt – gerecht. Kleider auf dem Bett, Papiere auf dem Boden, Schulbücher auf dem Tisch – Anand mag bei vielen Menschen als Sänger bekannt sein, doch dahinter steckt nach wie vor ein normaler Teenager.

Sofort sticht seine Leidenschaft für die Musik ins Auge. An der Wand hängen zwei Gitarren, am Boden liegt eine Ukulele-Hülle. Auf der Kommode steht ein Plattenspieler – ein etwas aussergewöhnliches Besitztum für einen Teenie aus dem 21. Jahrhundert – und mehrere Musikplatten, darunter von Damn, Tame Impala und Michael Jackson. Als Anand zehn Jahre alt war, war er so besessen vom «King of Pop», dass es seine Mutter nicht mehr aushielt. Sie musste ihm andere Künstler zeigen.

Anand hat eine Leidenschaft für Musik, schon seit er klein ist. Bild: Severin Bigler

Heute ist sein grösstes Vorbild der amerikanische Rapper, Sänger und Produzent Tyler, the Creator. «Ich kann mich mit ihm identifizieren», so Anand. «Er hat seine Karriere in einer Band angefangen und später dann sein eigenes Ding durchgezogen.» Diesen Weg will auch Anand gehen.

Anands Mutter, die aus einer indischen Künstlerfamilie stammt, hatte einen grossen Einfluss auf seine Begeisterung für die Musik. Weil sie ihrem Sohn schon früh ein Rhythmusgefühl vermitteln wollte, hörte sie während ihrer Schwangerschaft im Auto oft klassische Musik. So kam es, dass Mozarts «Eine kleine Nachtmusik» die ersten Lebensjahre des kleinen Anand prägte. «Er hörte nicht auf, mitzusingen», so Sharmila Bansal. Auch klassische Musik aus Indien zeigte sie ihm, konnte ihn jedoch nie dafür begeistern.

Der Vater hat wenig mit Musik am Hut. Dennoch spielte er für seinen Sohn stets eine ebenso zentrale Rolle, unterstützte ihn in allen Etappen seines Werdegangs, wie Anand betont.

Während die Eltern im Wohnzimmer von Anands Kindheit erzählen, schnipst er wieder mit den Fingern und summt eine unverständliche Melodie mit. «Ich weiss nicht, wann meine Leidenschaft für die Musik begonnen hat. Es war schon immer in meinem Blut», sagt Anand.

Familienfoto mit Anand Bansal und seiner Mutter Sharmila, Vater Satschin und Schwester Vandya, zu Hause in Unterengstringen. Bild: Severin Bigler

Anands erstes Instrument war eine beidseitige indische Trommel, das zweite die Blockflöte. Im Alter von neun Jahren nimmt er den Gitarren- und Gesangsunterricht bei Daniel Notter der Musikschule Limmattal auf. Dieser erkennt sein Talent und gründet um Anand herum eine Band. Mit zehn hat er seinen ersten Auftritt.

Anand beginnt daraufhin, an verschiedenen Vorsingen teilzunehmen und wird dadurch für ein Gesangstraining nach Los Angeles eingeladen. Als Elfjähriger findet er sich in der amerikanischen Grossstadt wieder, wo er erstmals einen Einblick ins Showbusiness erhält. «In Los Angeles wurde mir klar, dass das eine gewaltige Industrie ist und dass es Fleiss und Disziplin braucht, um etwas zu erreichen», sagt Anand. Das schreckt ihn nicht ab. Als er von den USA zurückkommt, ist für ihn klar: Er will Sänger werden.

Er wird von «The Voice Kids» angenommen und singt sich als einer von 8 aus 11’000 Teilnehmern bis ins Finale in Berlin. Für den Sieg reicht es nicht, dennoch bleibt «The Voice Kids» als eine unvergessliche Zeit in Erinnerung.

Anand performt «Happy» von Pharrell Williams im Finale der deutschen Casting-Show «The Voice Kids». Video: YouTube

«Es war megaschön, aber es wird nie mehr kommen», sagt Anand. Er blickt mit Freude auf diese Zeit zurück, ist aber gleichzeitig schnell wieder in der Realität angekommen. Erst gilt es für den Gymnasiasten, die Schule abzuschliessen. Zwei Jahre bleiben ihm noch, das Jahr 2025 werde besonders anstrengend. Anstatt in Nostalgie zu versinken, zeigt der Teenager eine beachtliche Reife. Die Fernsehauftritte verstärken seine Ambition, auf grossen Bühnen aufzutreten.

Anand Bansal mit einem Foto seines Auftritts bei «The Voice Kids» 2024. Das Bild wurde von seiner Betreuerin Lena Meyer-Landrut und den anderen Jurymitgliedern der Show signiert. Bild: Severin Bigler

Zurück in Anands Zimmer. Am Schreibtisch passiert die Magie – hier bereitet er sich in seiner Freizeit auf seine Karriere als Sänger vor. Anand nimmt auf seinem Stuhl Platz und zeigt die Ausrüstung, die er zur Songproduktion benötigt.

Es ist eine ziemlich einfache Ausstattung: Ein kleines Midi-Keyboard, auf welchem er mit verschiedenen Instrumenten – wie Trompete, Schlagzeug oder Flöte – Melodien aufnehmen kann. Ein Mikrofon und ein Kopfhörer, mit welchen er Gesänge oder Gitarrenmelodien aufzeichnet. Und ein Laptop, auf den er die Instrumentals und Vocals hochlädt und auf einem entsprechenden Programm zu Liedern zusammenschneidet.

An seinem Schreibtisch produziert Anand seine eigenen Songs. Bild: Robin Walz

Beigebracht hat er sich das selber. In den Ferien und am Wochenende produziert er mehrere Stunden pro Tag, unter der Woche ist der Gymischüler meist mit Lernen beschäftigt.

Sein Set-up ist eher für Übungszwecke vorgesehen, veröffentlichen will er die selbst produzierten Lieder nicht, zumindest nicht in dieser Form. Denn Anand kriegt professionelle Unterstützung.

Auf dem Midi-Keyboard kann Anand mit verschiedenen Instrumenten Melodien aufnehmen. Bild: Severin Bigler

Über Neujahr reiste Anand nun schon zum zweiten Mal ins niedersächsische Vögelsen. Dort arbeitet er mit dem deutschen Produzenten Peter Hoffmann zusammen, der junge musikalische Talente unterstützt und in der Vergangenheit zum Beispiel Songs von Tokio Hotel oder Falco produzierte. Hoffmann wurde auf Anand durch seine Teilnahme bei «The Voice Kids» aufmerksam. Für Anand ist es ein interessantes Türchen, das sich aufgrund der Casting-Show geöffnet hat.

Anand bringt das Material mit nach Deutschland – sprich: Akkordabfolgen und Melodien, die er zu Hause produziert hat, und Ideen für Songtexte, die er in seinem Notizbüchlein festhält. Hoffmann unterstützt ihn, aus diesem Material Lieder zusammenzustellen. In seinem Studio werden die Songs aufgenommen und mit Hoffmanns technischem Know-how professionell produziert.

Von seinem letzten Besuch in Deutschland ist Anand mit einem neuen Popsong namens «Zeitreise» zurückgekommen. «Es geht um die schönen Momente im Leben, die immer so schnell vorbeigehen», sagt Anand. Ein bisschen nostalgisch ist er doch.

«Zeitreise» von Anand Bansal

Publizieren will er das Lied noch nicht. Er möchte abwarten, bis er einige Songs fertiggestellt hat, und erst dann die ersten Veröffentlichungen wagen, möglicherweise gleich alle zusammen als Album. Bis dahin will er weiterschreiben, aufnehmen und Erfahrungen sammeln.

Zu diesen Erfahrungen gehört auch die Band Litu. Seinen Beitritt ausschliesslich als Mittel zum Zweck zu verharmlosen, wäre aber irreführend. Anand ist gerne in dieser Band. Sie ist für ihn ein Herzensprojekt, nicht einfach eine Nebenbeschäftigung. Deshalb will er die selbst produzierten Lieder nicht für sich selber behalten, sondern mit der Band teilen und möglichst bald auch bei Bandauftritten spielen.

Anands Umgang mit den anderen Mitgliedern ist wohlwollend und unterstützend. Eine Überheblichkeit, wie man es von einem jungen Teenager, der sich durch seine Fernsehauftritte einen Namen machte, erwarten könnte, ist nicht vorhanden. Anand ist äusserst bodenständig, stellt sich auf die gleiche Höhe wie seine Bandmitglieder.

Anand will unbedingt Solokünstler werden. Bild: Severin Bigler

Anand ist gleichzeitig eine selbstbewusste, ambitionierte und offene Person. Er hat ein klares Ziel vor Augen, aus dem er keinen Hehl macht. «Mein Traum ist es, eigenständiger Künstler zu sein, meine eigenen Songs und meine eigenen Fans zu haben.» Weshalb aber will er unbedingt eine Solokarriere verfolgen? Auch hier liefert er eine ehrliche Antwort: «Wenn ich die Augen schliesse, sehe ich keine Band, sondern mich selber.»


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