Anna Tobler coacht die C-Juniorinnen des FC Urdorf. Ein Porträt über eine Trainerin, die eigentlich nur Flaschen auffüllen wollte – und nun mit grosser Leidenschaft die Verantwortung für die Zukunft der Frauen beim FC Urdorf trägt.
«Grosse Bewegungen, von innen nach aussen», ruft Anna Tobler ihren Spielerinnen zu. Auf dem Kunstrasen im Urdorfer Chlösterli wärmen sich gerade die C-Juniorinnen vom FC Urdorf auf.
Tobler fordert die 15 jungen Fussballerinnen von Anfang an. Die Trainerin hat die Mannschaft in zwei Reihen aufgeteilt. Die Spielerinnen müssen diverse Aufwärmübungen machen – erst ohne, dann mit Ball. Da die jungen Damen pro Übung etwa 25 Meter ablaufen, gleicht das Aufwärmen einer Konditionseinheit.

Als Tobler eine Pause einlegt, scheinen die Juniorinnen ausser Atem, erleichtert. Doch kurz nachdem sie zur Wasserflasche greifen, geht es bereits mit Stabilisationsübungen weiter. Die Meisterschaft startet in wenigen Wochen, bis dahin soll die Mannschaft fit sein.
«Ich dachte, ich muss nur die Flaschen auffüllen»
Die 48-jährige Schwedin Tobler ist vor knapp vier Jahren beim FC Urdorf eingestiegen. Als der Verein 2021 begann, die ersten Mädchenteams zu bilden, erkundigte er sich nach freiwilligen Eltern, die helfen wollen. Tobler stellte sich für jene Mannschaft zur Verfügung, in der ihre Tochter angemeldet war.

Tobler hatte jedoch andere Erwartungen an ihre Aufgaben. «Ich dachte, ich muss nur die Flaschen auffüllen oder so etwas Ähnliches», sagt sie. So kam es nicht. Zusammen mit dem Vater einer anderen Juniorin übernahm sie das Team als Trainerin. Dann zog sich der Vater zurück. «Plötzlich stand ich alleine mit 20 Mädchen auf dem Platz», erinnert sie sich.
Dreieinhalb Jahre später trainiert Tobler noch immer dieselben Juniorinnen, die nun in der 2. Stärkeklasse der Alterskategorie C spielen – und damit die älteste Juniorinnenmannschaft des FC Urdorf formen. Anfangs habe sie sich überlegt, wieder aufzuhören. «Ich habe selber nie Fussball gespielt, nur Handball. Also dachte ich, dass ich das Coachen nicht kann», sagt Tobler. Doch ihr Feuer für den Fussball war bereits entfacht. Und weil Tobler daraufhin Unterstützung von Trainerin Uta Cerutti und Trainer Mario Holenstein erhielt, war sie sicher: Sie möchte weitermachen.
Von Handball zu Fussball
«Mir ist wichtig, dass ihr genaue, gerade und starke Pässe spielt», sagt Tobler ihren Spielerinnen. Die Anweisungen der Trainerin sind klar. Und die Fussballerinnen setzen sie sofort um. Nach einigen Minuten unterbricht sie die Passübung. «Löst euch von den ‹Töggeln›, bevor ihr den Pass zugespielt bekommt.» Damit will sie zeigen, dass die Markierungshütchen die Gegenspielerinnen symbolisieren und sich die Spielerinnen von diesen – wie im Match – abwenden sollen.

Obwohl die Trainerin vor ihrer Zeit beim FC Urdorf nie etwas mit Fussball am Hut hatte, entwickelte sie ein Verständnis für den Sport und für das Coachen. Tobler hat nicht nur klare Inputs. Sie hat das Training gut vorbereitet, braucht wenig Zeit, um von einer Übung zur nächsten zu wechseln. Wie hat sie das in so kurzer Zeit gelernt? «Ich habe stundenlang Youtube-Videos geschaut», sagt Tobler. Kürzlich hat sie ihre zweite Trainerinnenausbildung absolviert und besitzt nun das C-Basic-Diplom vom Fussballverband der Region Zürich.
Von ihrer Vergangenheit als Handballerin konnte Tobler ebenfalls profitieren. Ein wichtiger Punkt im Handball sei nämlich der Mannschaftszusammenhalt. Diesen versuche sie auch ihren Fussballerinnen zu vermitteln. Das scheint zu funktionieren: Die Stimmung im Team ist positiv, die Spielerinnen verstehen sich gut untereinander.

Im technischen Bereich hat Tobler noch Verbesserungspotenzial, wie sie sagt. So falle es ihr schwer, den Juniorinnen Trainingsübungen vorzuzeigen, da sie selber nie Fussball gespielt hat. Das Üben mit einem Ikea-Softball zu Hause hat die Fussballskills der Schwedin nicht massgebend verbessert. Den Vorzeige-Teil des Trainings überlasse sie deshalb erst mal ihrem Co-Trainer Mario Holenstein.
«Die Juniorinnen haben noch keine richtigen Vorbilder»
Nach dem Konditionsteil und den Passübungen leitet Tobler zum Spiel über. «Endlich», steht den jungen Damen ins Gesicht geschrieben. Sie sehen nach dem intensiven Trainingsauftakt erschöpft aus. In drei Spielfeldern treten jeweils zwei kleine Mannschaften gegeneinander an. Jeder Treffer wird gefeiert, als hätten sie gerade die Europameisterschaft gewonnen – jene, die im kommenden Sommer in der Schweiz stattfindet.
«Die Frauen-EM ist bei unseren Spielerinnen schon ein Thema. Wir haben auch bereits gemeinsam ein Trainingsspiel der Schweiz geschaut», sagt Tobler. Aber: «Die Juniorinnen haben noch keine richtigen Vorbilder wie ihre gleichaltrigen männlichen Kollegen.» Die Trainerin ist überzeugt, dass das Interesse am Frauenfussball mit der Europameisterschaft zunehmen wird.

Ob dadurch auch die Anmeldungen für die Mädchenteams beim FC Urdorf weiter zunehmen werden, wird sich zeigen. Beim Verein ist man jedenfalls jetzt schon ausgelastet. Fünf Juniorinnenmannschaften sind seit 2021 entstanden, der Platz auf dem Kunstrasen wird knapp. Die C-Juniorinnen müssen sich an diesem Tag mit drei anderen Mannschaften den Platz teilen. Gegen Ende des Trainings kommen dann auch schon die älteren Jungs auf den Kunstrasen.
Für eine grosse Abschlussübung ist der Platz nun zu klein. Für eine Schusseinheit reicht er aber gerade noch. Die Spielerinnen legen sich je einen Ball bereit und schiessen nacheinander auf die Torhüterin. Dann sammeln sie das Material zusammen, ehe sie sich bei ihrer Trainerin per Handschlag verabschieden. Tobler lächelt und verlässt den Platz. Für Tobler endet das Training – doch ihre Begeisterung für den Fussball bleibt.
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