Von Schlieren in die weite Welt: Maverick Plüss ist jetzt Fussballprofi in Thailand

In Schlieren aufgewachsen, nach Thailand ausgewandert: Maverick Plüss. Bild: zvg

Jahrelang hat er davon geträumt, nun hat der Schlieremer Maverick Plüss in Thailand seinen ersten Profivertrag als Fussballer unterschrieben. Bis dorthin war es ein langer und holpriger Weg.


«Thailand war schon immer mein Traum», sagt Maverick Plüss am Telefon. Es ist der Traum, Profifussballer zu werden. Einer, den er in der Schweiz nie verwirklichen konnte. Und den er sich deshalb in seiner zweiten Heimat erfüllen wollte.

Als Sohn einer Thailänderin und eines Schweizers wächst Plüss, mittlerweile 28 Jahre alt, im Limmattal auf – erst in Schlieren, später in Weiningen. In seiner Jugend spielt er unter anderem für Schlieren und Oetwil-Geroldswil, als Aktiver vor allem für Blue Stars und Engstringen in der 2. Liga Regional. Der Schritt vom Regional- in den Profifussball gelingt dem Torwart nicht.

Maverick Plüss (im Torwarttrikot) als Junior beim FC Schlieren. Bild: zvg

Die Ferien verbringt Plüss oft in Thailand. Er fühlt sich dort wohl, lernt neue Freunde kennen, darunter auch andere «Halb-Thais», wie er sich selbst bezeichnet. Sie sind ausserhalb des Landes aufgewachsen, einige von ihnen nach Thailand ausgewandert, um dort als Fussballer ihr tägliches Brot zu verdienen. Könnte das auch der Weg von Maverick Plüss sein?

Die Idee schwirrt in seinem Kopf herum und begleitet ihn über die Jahre. Es entwickelt sich ein Traum, der in greifbarer Nähe liegt. Doch für eine lange Zeit bleibt er unerfüllt.

Teil I: Der Weg nach Thailand

Konkret wird es erstmals vor zehn Jahren. Als 18-Jähriger wird Plüss von einem Scout entdeckt, der in der Schweiz Talente für thailändische Fussballvereine sucht. Er lädt ihn zu einem Probetraining beim damaligen Drittligisten Nongbua Pitchaya FC einlädt. Plüss, der zu diesem Zeitpunkt bei der Post arbeitet, bezieht einige Ferientage und fliegt nach Bangkok. Er absolviert das Probetraining. Der Verein ist von seinem Talent beeindruckt, bietet ihm einen Vertrag an. Alles geht schnell. Zu schnell.

Plüss kriegt kalte Füsse. «Am Tag, an dem ich meinen Vertrag hätte unterschreiben sollen, bin ich abgehauen.» Zu stark ist er an seine Familie und Freunde in der Schweiz gebunden, auch Thailändisch spricht er damals kaum. «Ich war noch nicht bereit, alleine zu sein», so Plüss. Er kehrt in die Schweiz zurück.

Hier hütet er vier Jahre lang das Tor des FC Engstringen, spielt später auch für Witikon, Zürich-City und Blue Stars – jeweils in der 2. Liga Regional. Der Traum vom Profifussball in Thailand verschwindet aber nach dem ersten Fussball-Abenteuer nicht mehr. «Seither habe ich mir jedes Jahr gesagt, dass es mich schon reizen würde, in Thailand Fussball zu spielen», sagt Plüss.

Nach seinem ersten Abenteuer in Thailand hütet Maverick Plüss vier Jahre lang das Tor des FC Engstringen. Bild: zvg

Sechs Jahre vergehen, ehe Plüss‘ Traum wieder ins Zentrum seines Lebens gerät. 2020 organisiert ihm sein Onkel ein Probetraining beim thailändischen Erstligaverein Muangthong United. Plüss ist begeistert, doch die Covid-Pandemie macht ihm einen Strich durch die Rechnung.

2022 soll es dann soweit sein. Zwar liegt diesmal kein Angebot vor, aber Plüss ist überzeugter denn je. Im selben Jahr kehrt auch seine Mutter von der Schweiz nach Thailand zurück, was sein Begehren bekräftigt. Plüss gibt seine Wohnung auf und steht kurz davor, das Kündigungsschreiben bei seinem Arbeitgeber – der Post – einzureichen. Thailand liegt in Reichweite, doch es folgt der nächste Rückschlag.

Kurz vor seiner Abreise kugelt er sich in einem Spiel die Schulter aus. Plüss muss sich operieren lassen. Die Thailand-Pläne legt er einmal mehr auf Eis, denn die Unfallversicherung deckt seine Rehabilitation nur in der Schweiz.

Neun Monate später steht Plüss im Trikot der Blue Stars wieder auf dem Platz. In Gedanken ist er jedoch schon in Bangkok. Aufgegleist ist nichts. Klar ist jedenfalls: Nach drei misslungenen Versuchen will Plüss endlich nach Thailand. Im Juni 2023 packt der mittlerweile 27-Jährige seine Koffer und steigt ins Flugzeug. «Alles oder nichts, ab nach Thailand», sagt Plüss rückblickend.

Teil II: Der Weg zum Profifussballer

Die Destination hat Plüss erreicht. Den eigentlichen Traum, Profifussballer zu werden, noch nicht. In einem Land, in dem vieles über Spieleragenten läuft, muss sich Plüss erst zurechtfinden.

Dass er planlos in das neue Abenteuer startet, wird ihm schon bald zum Verhängnis. Ein Freund arrangiert ihm zwar Probetrainings bei diversen Vereinen – so heuert er unter anderem auch beim Zweitligisten Bangkok FC an.

Als er sich aber nach knapp zwei Wochen Mittrainieren um seine Zukunft beim Verein erkundigt, wird er abgewiesen. Das Transferfenster habe bereits einige Tage zuvor geschlossen, teilt ihm der Verein mit. Man könne ihn daher nicht mehr verpflichten. «Da musste ich die thailändische Arbeitsmentalität kennenlernen – die nehmen es gerne lässig und sind nicht immer so zuverlässig», so Plüss.

Maverick Plüss wanderte im Sommer 2023 nach Thailand aus – mit der Hoffnung, dort seine Profikarriere zu lancieren. Die ersten Monate stand er aber ohne Verein da. Bild: zvg

Es kommt noch schlimmer: Sein Wunsch, bis zum nächsten Transferfenster wenigstens mit der Mannschaft mittrainieren zu dürfen, lehnt Bangkok FC ab. Sie schmeissen ihn raus. «Für mich ist in diesem Moment die Welt zusammengebrochen», erinnert sich Plüss.

Plötzlich steht Plüss zu Beginn der Saison 2023/24 ohne Verein da. Er klopft bei verschiedenen Vereinen an, um mindestens mittrainieren zu dürfen. Alle lehnen ab. Plüss muss sich selber in Form halten. Monatelang trainiert er für sich alleine, bis im Januar 2024 das Transferfenster wieder öffnet.

Anfangs 2024 ist Plüss noch immer vereinslos. «Das erste halbe Jahr in Thailand war eine sehr schwierige Zeit», sagt er. Oftmals spielt er mit dem Gedanken, in die Schweiz zurückzukehren. Sein Traum scheint zu platzen.

Ein enger Freund hilft ihm aus der Not. Wie Plüss ist er Fussballer, hat im Sommer 2023 einen Vertrag beim Zweitligisten Chiangmai FC unterschrieben – und holt Plüss mit an Bord. Der Freund ist kein Unbekannter: Charyl Chappuis, U17-Weltmeister mit der Schweiz und heute eine Berühmtheit in Thailand.

Die beiden lernten sich vor einigen Jahren durch einen gemeinsamen Freund kennen. «Als ich dann nach Thailand zog, war er meine Bezugsperson», so Plüss. Seither ist zwischen dem Limmattaler und dem thailändischen Superstar eine enge Freundschaft entstanden.

Chappuis reicht seinem Freund also die Hand, hilft mit, Plüss nach Chiang Mai im Norden von Thailand zu bringen. Dort wartet allerdings die nächste kalte Dusche. Wieder scheitert der Transfer. «Es gab Missverständnisse zwischen dem Präsident und dem Trainer», erklärt er frustriert. Offiziell ist Plüss zu diesem Zeitpunkt – nach zwei gescheiterten Transfers – noch immer Spieler beim Zürcher FC Blue Stars. Plüss’ Traum vom Profifussballer in Thailand rückt weiter in die Ferne.

Doch er gibt nicht auf. Anders als beim letzten Mal darf Plüss bei Chiangmai FC bis zum Sommer mittrainieren, um sich fit zu halten. Das tut er. Und wird für seine Hartnäckigkeit und Geduld belohnt.

Am 21. August 2024 geht der Traum von Maverick Plüss in Erfüllung. Er unterschreibt beim Drittligisten Rajpracha FC seinen ersten Profivertrag. Die grosse Erlösung.

«Es war ein Kindheitstraum, der nach so langem Leiden und Kämpfen in Erfüllung ging», beschreibt Plüss das Gefühl dieses speziellen Moments. «Seit ich mit fünf Jahren beim FC Schlieren angefangen habe, Fussball zu spielen, war das mein Traum.» Ein Traum, der sich bereits vor zehn Jahren beinahe erfüllt hatte. Ein Traum, der von der Covid-Pandemie und einer Schulterverletzung verhindert wurde. Ein Traum, der nach zwei gescheiterten Transfers geplatzt schien.

«Ich bin eine realistische Person», sagt Plüss. Und ergänzt: «Ich weiss, dass es in der Schweiz nicht gereicht hätte, um Profi zu werden.» Auch realistische Menschen träumen.

Teil III: Der Weg in die Zukunft

Drei Monate ist es nun her, seit Plüss den Vertrag bei Rajpracha unterschrieben hat. Der Bangkoker Verein spielt in der dritthöchsten thailändischen Spielklasse, die als Profiliga gilt. Die Mannschaft will diese Saison den Aufstieg meistern, nach zwölf Spielen ist sie auf dem vierten Platz.

Den Stammplatz für die hart umkämpfte Torwartposition konnte Plüss bisher noch nicht an sich reissen. Dennoch gibt es Grund zur Freude: Am 20. November gab Plüss im thailändischen Cup sein Profidebüt. Beim 2:1-Sieg glänzte er mit mehreren Paraden und empfahl sich damit beim Trainer für die Nummer 1.

Profidebüt vom Limmattaler Goalie Maverick Plüss bei seinem thailändischen Verein Rajpracha FC. Im thailändischen FA-Cup gewinnt Plüss‘ Mannschaft am 20. November gegen Banbueng City mit 1:2. Bild: zvg

Trotzdem ist seine Zukunft beim Verein ungewiss. Plüss will mehr Spielzeit. Und der Einjahresvertrag läuft bereits im kommenden Sommer aus.

Sollte er in die Schweiz zurückkehren, schliesst Plüss eine Rückkehr zu einem Limmattaler Fussballverein nicht aus. Am ehesten zu Oetwil-Geroldswil, der ihn schon mehrmals angefragt habe. Und am liebsten, wenn Roger Balmer Trainer ist. Der ehemalige Engstringen-Coach spielte eine wesentliche Rolle, dass Plüss seinen Traum nicht aufgab.

Die Zukunft von Maverick Plüss ist ungewiss. Bild: zvg

Doch eine Rückkehr in die Schweiz ist momentan nur die zweite Option. Plüss baut sich zurzeit mit einer eigenen Kleidermarke in Thailand ein zweites Standbein auf. Zudem arbeitet er als Fussballtrainer an einer internationalen Schule, um den mageren Lohn als Fussballer zu kompensieren. Er hat eine thailändische Partnerin gefunden und beherrscht mittlerweile einigermassen die thailändische Sprache.

Für Plüss ist klar: Seine Zukunft liegt in Thailand. Fussballerisch will er weiterhin an sich arbeiten, um sich einen Stammplatz in einer der thailändischen Profiligen zu ergattern. Schliesslich war das schon immer sein Traum.


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